Der Komponist Marc David Ferrum

23 Jahre alt, Klangkünstler, Student aus Karlsruhe, Preisträger 2018 – und vor der Uraufführung seines ersten Auftragswerks im Januar in Berlin…

Er mag metallicfarbene Sneaker, Selbstgebackenes, Fotografie, Innenarchitektur, aber vor allem Musik.

Foto©Marc David Ferrum

Auf seiner Website macht er klar, dass er nicht nur Komponist, sondern Künstler ist. Ein Künstler, der nicht lebenslang alte bekannte Stücke reproduzieren möchte, sondern sich Fantasie und Freiheit bewahren will. Der neue Klänge erfindet, Klänge verformt, auf unerwartete Weise kombiniert und uns mit neuen Seiten geläufiger Musikinstrumente konfrontiert.

Komponisten stehen für gewöhnlich nicht im öffentlichen Rampenlicht, und ein Wettbewerb für dieses Fach ist schon eine besondere Sache. Deshalb war das Jahr 2018, wie Marc David Ferrum auf Facebook schreibt, ein außerordentlich gutes.

 

Beim Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb 2018 wurde er für das Stück „Summernightmare“ für Sopran und Streichquartett mit dem 1. Preis im Fach Komposition ausgezeichnet. Es forderte vor allem der Sängerin eine ungewohnte Bandbreite an Geräuschen und Tönen ab. Im Sommer 2018 erschienen die Noten dazu im Verlag Ries & Erler.

Fragen an Marc David Ferrum:

Beim diesjährigen Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb erlebt nun ein neues Werk von Ihnen im Preisträgerkonzert seine Uraufführung – GITTER für Violoncello solo. In Auftrag gegeben haben es die Freunde Junger Musiker Deutschland.

Die Inspiration für G I T T E R ergab sich während meines Studienaufenthaltes in Japan, das Stück ist ein Destillat einiger meiner wichtigsten Eindrücke aus meiner Zeit in Japan. Klanglich bestimmt wird das Ganze von holzig-spröden Klängen, die aus meinen Reisen in die älteren Teile mancher Städte und den architektonischen Besonderheiten der dortigen Häuser stammen. Es finden sich darin versteckt aber auch beispielsweise Melodiefragmente wieder, die aus meinem Unterricht an zwei Instrumenten der traditionellen höfischen Musik Japans stammen und sich (für mich) schon fast ohrwurmartig ihren Weg ins Stück gebahnt haben. Ganz Genaues möchte ich natürlich noch nicht vorwegnehmen, schließlich sollen auch die Hörer ihren eigenen Zugang zu diesem Stück finden können.

GITTER für Violoncello solo wird gespielt von Jonas Palm, der 2013 zu den Preisträgern des Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerbs gehörte. Lassen Sie sich von seiner Version überraschen?

Wenn sich mir die Möglichkeit bietet, probiere ich das meiste was ich schreibe, selbst aus. Auch für mein Stück für Violoncello solo habe ich mich einen guten Monat lang selbst ans Cello gesetzt – bevor und während ich komponiert habe. Gerade bei den Klängen, die mich interessieren, und den damit verbundenen Techniken ist mir eine genaue Auseinandersetzung mit deren Entstehung sehr wichtig. Natürlich kann ich auch eines der schlauen Bücher über zeitgenössische Spieltechniken befragen, aber dabei werde ich nie ein Gefühl für den Klang bekommen und was es für den Musiker bedeutet, ihn zu erzeugen.

Die Interpretation soll natürlich, wie der Name schon sagt, eine Interpretation sein. Das heißt, dass es mir neben all den technischen Herausforderungen, mit denen das Stück gespickt ist, äußerst wichtig ist, dass mir der Interpret seine Sicht auf das Stück präsentiert, Musik macht – denn genau das ist ja das Spannende!

Selbstverständlich habe ich als Komponist bei der Uraufführung noch gerne selber meine Finger im Spiel, um meine Vorstellung vom Stück bestmöglich vermitteln zu können. Außerdem sind ja auch Referenzaufnahmen für spätere Interpretationen immer sehr von Vorteil. Jonas Palm und ich haben schon ausführlich telefoniert. Und wir haben in Berlin vor Ort die Möglichkeit, gemeinsam und unmittelbar am Instrument zusammenzuarbeiten, um das Stück dann optimal im Konzert präsentieren zu können.

Als Komponist sind Sie auf die Umsetzung Ihres Stücks durch Musiker angewiesen. Spüren Sie da eine gewisse Abhängigkeit?

Natürlich spüre ich eine gewisse Abhängigkeit, denn wenn es niemanden gibt, der meine Stücke spielt, was mache ich dann? Die Krux an unserem Beruf ist, dass wir Komponisten uns erstmal naturgemäß in der Position der Bittsteller befinden. Ohne eine Aufführung unserer Stücke ist es, besonders im Studium, unmöglich, das Imaginierte mit der Realität abzugleichen, auf Probleme zu stoßen, einen Diskurs mit den Interpreten zu führen und dann letztendlich dazuzulernen. Wir sind keine bildenden Künstler, die alleine etwas erschaffen können, das für jedermann jederzeit rezipierbar ist. Unsere Kunst ist nur im Moment des „Gespieltwerdens“ wahrnehmbar, und dafür sind wir in gewisser Weise auf die Gunst der Musiker angewiesen.

Den ersten Kompositionsauftrag zu bekommen bedeutet für mich daher auch: das erste Mal ausbrechen aus dem Bittstellerdasein. Jemand findet offenbar meine Musik interessant, förderungswürdig, möchte mehr von mir hören und bittet mich daher ein neues Stück zu schreiben. Neben dem selbstverständlich nicht zu vernachlässigenden monetären Aspekt ist das natürlich unglaublich wichtig und bedeutet mir persönlich auch sehr viel.

Welche wichtigen Dinge gehören zu den basics, zum Handwerk eines Komponisten?

Ich glaube, dass da die Meinungen stark auseinandergehen, je nachdem, wen Sie fragen. Für mich ist natürlich die Kenntnis über das Medium, mit dem ich arbeite, grundlegend. In meinem Fall ist das besonders die Wissen über Instrumente und deren Möglichkeiten. Was man allerdings meiner Meinung nach heutzutage zum Komponieren nicht mehr können muss, ist das Klavierspiel im klassischen Sinne. Wenn meine Ästhetik mich nun dahin führt, dass ich beispielsweise rein geräuschhaft komponieren möchte, bin ich nicht mehr zwingend darauf angewiesen. Unerlässlich sind aber natürlich gute Kenntnisse der Notation und, nicht zu unterschätzen, der Kommunikation. Denn beide vermitteln den Musikern, was ich als Komponist denn eigentlich erreichen möchte. Unklare oder unverständliche Notation sowie unzureichende Softskills im direkten Kontakt mit den Interpreten sind dabei natürlich wenig hilfreich.

Was ist in der Regel zuerst da in Ihrem Kopf – die Klangvorstellung oder eine Struktur oder was?

Die Frage nach Klang und Struktur ist für mich ein bisschen wie die Frage nach Huhn oder Ei. Meistens regen Klänge meine Fantasie mehr an als strukturelle Ideen. Wenn es dann allerdings ans Komponieren geht, kommt oft beides zusammen und ich arbeitet viel nach Gefühl. Das einzige Mal, dass ich mir zuerst eine recht detaillierte Struktur geschaffen habe, die mir als Gerüst für das weitere Komponieren bereitstand, war bei meinem Jugendmusiktheater von ca. 45 Minuten Länge. Ohne genauere Überlegungen zu Form und Dramaturgie, hätte ich mich in dieser langen Dauer ziemlich haltlos und verloren gefühlt.

Mozart zum Beispiel hat seine Themeneinfälle manchmal auf alle möglichen Papierschnipsel notiert, die gerade zur Hand waren. Komponieren Sie auch noch mit Bleistift und Notenpapier oder wie ist das im digitalen Zeitalter?

Für mich hat sich das direkte Komponieren am Laptop als die beste Möglichkeit herausgestellt. Bevor es allerdings dazu kommt, habe ich schon viele schriftliche, zeichnerische und formale Skizzen oder einfach nur Brainstormings zu Klängen, Thematiken oder dergleichen auf Papier geschrieben. In der Vorbereitung sind also Stift und Papier meine Mittel der Wahl. Was aber das Komponieren angeht, so bin ich niemand, der von vorne nach hinten durchkomponiert, sondern sehe meinen Kompositionsprozess eher wie das Formen eines Werkstückes aus Ton, das aber erstmal verform- und veränderbar bleibt. Der Computer macht mir das „Zurückgehen und Verformen“ um einiges leichter, als dies auf Papier der Fall wäre.

Noch einmal Mozart – meist hat er Auftragswerke geschrieben und wurde dafür bezahlt. Wenn das Stück dem Auftraggeber (und dem Publikum) gefiel, wurde er wieder beschäftigt. Und heute? Steht man als Komponist unter ähnlichem Druck?

Inzwischen kann ich sagen, Ja. Ich denke viele Komponisten starten mit sehr idealisierten Vorstellungen in das Studium und somit in den Beruf. Das war bei mir nicht anders. Aber ich habe bald meine anfängliche Haltung von „ich komponiere nur für mich und wenn es jemandem gefällt ist das schön, aber nicht wichtig“ überdacht und revidiert, denn ganz so leicht ist es dann doch nicht. Im Prinzip gilt das Gleiche wie gerade schon gesagt: Wenn es niemanden gibt, der meine Stücke hören möchte, was mache ich dann? Mittlerweile glaube ich schon, dass es wichtig ist, das Publikum in seine Überlegungen miteinzubeziehen. Denn letztendlich schreibt niemand für einen luftleeren Raum. Wir alle wollen, dass unsere Stücke gespielt werden, dass sie gehört werden und wir alle wünschen uns, dass sie Anklang finden. Aber das Publikum zu kennen (soweit das überhaupt möglich ist), bedeutet nicht, ihm ständig gefallen zu müssen. Es bedeutet eher, ihm auch etwas zuzutrauen und es auch mal herausfordern zu können, denn, um es mit den Worten meines Professors Markus Hechtle zu sagen, „ich bin überzeugt, dass das Publikum nicht bedient werden will und auch nicht bedient werden kann.“

© Freunde Junger Musiker e.V. Berlin

www.marc-david-ferrum

UA GLITTER – 20. Januar 2019, 19 Uhr, Konzerthaus Berlin

www.konzerthaus

Biografisches:

Marc David Ferrum wurde 1995 in Stuttgart geboren. Seit 2015 studiert er Komposition bei Markus Hechtle und Wolfgang Rihm an der Hochschule für Musik Karlsruhe. Wichtige Impulse erhielt er außerdem während seines Auslandsstudiums bei Motoharu Kawashima am Kunitachi College of Music in Tokio.

2018 gewann er den 1. Preis des Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerbs in der Kategorie Komposition für sein Werk „summernightmare“, welches im August desselben Jahres im Berliner Verlag Ries & Erler erschien. Neben Deutschland (Internationale Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt, Zeitgenuss Karlsruhe, Nachtklänge des Badischen Staatstheaters Karlsruhe u.v.m.), wurde seine Musik auch durch mehrere Uraufführungen in Japan einer größeren Öffentlichkeit bekannt.

Im Jahr 2019 wird Marc David Ferrum mit dem Wolfgang-Rihm-Stipendium der Höpfner Stiftung gefördert.