Schlagzeug war gestern, Perkussion ist heute –
so könnte das Motto von Hannes Vonmetz lauten, gerade 20 Jahre alt und seit Herbst 2023 Student in der Solistenklasse von Prof. Simone Rubino an der Universität der Künste Berlin.
Hannes, Du bist von Südtirol mit seiner herrlichen Berglandschaft (und eigenem Übe-Keller) im letzten Herbst in die quirlige, urbane Metropole Berlin gekommen, um hier Deine Studien fortzusetzen. Was hat Dich bisher am stärksten beeindruckt?
Ja, also das Interessanteste an Deutschland, was ich bisher erlebt habe, ist einfach das Bewusstsein für Kunst…..
….und die deutsche Sprache. Bei uns wird ja Dialekt gesprochen, auch untertags, und in der Schule wird dann das sogenannte Hochdeutsch unterrichtet. Hier in Berlin jeden Tag Deutsch zu hören und zu reden, mein Vokabular zu erweitern, das gefällt mir unglaublich.
Ein Musikstudium wird letztlich geleitet von dem Wunsch, später professionell Konzerte zu geben. Dir sind schon am Anfang des Solo-Studiums Konzerte besonders wichtig, warum?
Ja, weil es für Solo-Perkussionisten schwierig ist, überhaupt auftreten zu können. In Italien gibt es nicht so eine reiche Konzertlandschaft wie in Deutschland. Als ich zwischen 16 und 19 Jahre alt und Jungstudent war, habe ich über 700 Mails geschrieben, habe teilweise angerufen oder bin persönlich ins Büro gegangen, und ich bekam letztlich drei Konzertengagements. Weil ich so viele, viele Stunden im Überaum verbringe, will ich auch einfach einmal etwas teilen mit den Menschen, mit dem Publikum.
Hannes Vonmetz, bei Deinem Debütkonzert hier in Berlin Anfang September hat man gesehen und gespürt, dass Du beim Spielen ganz auf die Musik fokussiert bist. Dazwischen hast Du moderiert – was bedeutet Dir der direkte Kontakt mit dem Publikum?
Der ist mir unglaublich wichtig, einfach auch aus dem Grund, weil ich ein sehr geselliger Mensch bin, ich tausche mich unglaublich gern mit anderen Menschen aus. Wenn man es schafft, eine Beziehung zum Publikum aufzubauen, das Publikum vielleicht auch mal lacht oder staunt, diese kleinen Reaktionen des Publikums in Mimik und Gestik – da verschwindet langsam diese durchsichtige Wand zwischen Interpret und Publikum. Und ich glaube, das führt dann wirklich zu einem gelungenem Konzert…..
Mozart, Schubert und Brahms haben keine Werke für Perkussion komponiert, wer sind denn vergleichbare „Hausgötter“ für Perkussionisten?
Also für mich persönlich gibt es keine „Hausgötter“. Ich glaube, dass kann man auch erst in ein paar hundert Jahren beurteilen. Warum – weil wir so viele umfassend ausgebildete Komponistinnen und Komponisten haben. Deshalb entstehen auch unfassbar viele und gute Werke, die aber nicht zur Geltung kommen, weil es zu wenig Konzerte gibt, in denen diese Werke gespielt und gehört werden.
Aber vielleicht könnte man eine Person nennen, und das wäre Iannis Xenakis, der wird in der perkussiven Welt so ein wenig auf diesen Thron gehoben, weil er einfach einer der ersten war, der sich in seinem Oevre viel der Perkussion gewidmet hat. Xenakis war auch Architekt und jahrelang Assistent von Le Corbusier, also sehr mathematisch, räumlich orientiert, und er hat erste spannende und herausfordernde Werke für Perkussion geschrieben.
Es ist sicherlich fantastisch, als Künstler in einem Bereich zu arbeiten, wo sich noch viel bewegt. Hannes, würdest Du sagen, Du hast als Perkussionist auch künstlerisch, interpretatorisch mehr Freiheiten im Vergleich etwa zu Geigern oder Klarinettisten?
Ja, auf jeden Fall, weil die Perkussionslandschaft einfach so vielfältig ist und permanent im Wandel begriffen. Ich weiß gar nicht, es gibt über 3.000 offiziell anerkannte Schlaginstrumente, und man kann ja mit allen musizieren! Aber das ist natürlich auch sehr, sehr gefährlich, denn dadurch kann diese Landschaft schnell oberflächlich werden.
Deshalb ist es jetzt vor allem für uns wichtig, sich auch zu fokussieren, eine Balance zu finden zwischen dem, was wir haben, und dem, was wir noch suchen können. Und das benötigt viel Kreativität und vor allem Neugierde von unserer Seite: also die vorhandenen soliden Mittel, die wir bereits besitzen, weiterzuentwickeln und enthusiastisch nach neuen Dingen zu suchen, etwas auszuprobieren.
Bei anderen Instrumentengruppen, zum Beispiel den Streichern, haben sich über die Jahrzehnte bestimmte stilistisch geprägte Schulen in der Spieltechnik herausgebildet. Gibt es etwas Ähnliches auch beim Schlagwerk?
Nein. Vielleicht kann man lose in Europa im orchestralen Bereich von einer deutschen Schule, einer französischen Schule und einer niederländischen Schule sprechen. Aber wenn ich jetzt den solo-perkussiven Part nehme – da gibt es noch keine Schule. Einfach auch aus dem Grund, da er ziemlich neu ist.
Was heisst neu – eigentlich gibt es Solo-Perkussion mittlerweile schon 50 Jahre, aber trotzdem verändert sie sich ständig, entwickelt sich weiter. Es sind viele Kompositionen dazugekommen, es sind viele Schlaginstrumente dazugekommen.
Mittlerweile hat auch fast jede Hochschule eine solide Marimba-Ausbildung. Zum Beispiel mein Lehrer noch in Bozen war erst der zweite Italiener, der eine Marimba zu Hause hatte, das war in den 80er, 90er Jahren. Natürlich kann man jetzt die Lage in Italien und Deutschland nicht direkt vergleichen, weil in Deutschland Marimba schon länger gelehrt wurde.
Bei der Vielzahl der Instrumente, vor allem der großen, muss man sich auf das einstellen, was zur Verfügung steht. Hat ein Perkussionist wenigstens ein eigenes Set verschiedener Schlägel bei sich, so wie ein guter Koch sein eigenes Messer-Set mitführt?
Die Schlägel sind ja unsere „Klangerzeuger.“ Auf vielen Instrumenten hat sich das Spiel mit Schlägeln durchgesetzt. Die unterscheiden sich in Härte und im Material – und ja, jeder Perkussionist hat eine Fülle von verschiedenen Schlägeln in seiner Tasche – und ein paar Ersatzschlägel dazu! Das ist auch wichtig, damit man in jedem Saal auf die spezielle Akustik reagieren kann.
Als Schlagwerker braucht man nicht nur gelenkige, virtuose Hände, der ganze Körper ist in das Spiel eingebunden – wie hältst Du Dich fit?
Das Wichtigste ist erst einmal eine gesunde, ausgewogene Ernährung und genügend Schlaf, da regenerierst Du am besten. Und fit halte ich mich vor allem mit Joggen. Ich gehe natürlich auch in das Fitnessstudio, aber für mich ist es vor allem wichtig, Kondition und Gelenkigkeit zu trainieren……….
Ist das dann ein Beruf, den man von der körperlichen Belastung her schwerlich bis zum Rentenalter ausüben kann?
Ich höre des öfteren von Leuten den Satz: „ihr werdet ja nur bis 40, 50 spielen können“, aber das stimmt nicht. Es gibt bisher zwar noch zu wenig Solo-Perkussionisten, um das genau beurteilen zu können, aber wir haben zum Beispiel Evelyn Glennie, die mit knapp 60 Jahren immer noch auftritt und hervorragend spielt, oder vor allem Keiko Abe, die mit ihren 87 Jahren heute noch – wenn auch begrenzt – mit ihrem Spiel die Leute verzaubern kann.
Hannes Vonmetz, was hast Du Dir als nächstes vorgenommen?
Ich möchte ein, zwei eigene Ensembles gründen, das ist schon relativ gut vorangeschritten. Für einen Perkussionisten ist das ziemlich wichtig, weil kaum einer unterwegs ist nur mit Solo-Rezitals pro Saison.
Und vielleicht einmal ein Schlagzeugkonzert mit Orchester zu spielen.
Ansonsten viel herumexperimentieren mit verschiedenen Musikstilen. Und die Universität der Künste Berlin, mit ihren vielfältigen Kunstbereichen, so gut es geht nutzen und mich davon inspirieren lassen. Wichtig ist in dieser Zeit die eigene Identität so gut wie möglich zu finden, damit man sich später nicht zu sehr verbiegen muss – aber vor allem immer „hungrig“ bleiben.
September24©Freunde Junger Musiker Berlin
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