Toby Cook – ein Bratschist mit Leidenschaft und Empathie

Er pendelt zwischen Berlin, London und Zürich, konzertiert als Solist und Kammermusiker und studiert derzeit bei Lawrence Power.

Toby Cook, wie sind Sie zur Bratsche gekommen?

Also, ich habe im Alter von 5 Jahren mit Geige angefangen, meine Lehrerin war aber eigentlich Bratschistin. Als ich 10 war, sagte sie mir, es gibt für Dich noch ein anderes Instrument, die Bratsche. Danach habe ich zehn Jahre lang beide Instrumente gespielt. Eigentlich habe ich immer gespürt, dass die Bratsche mehr mein Instrument ist, weil mein Charakter irgendwie besser zu dem Instrument passt. Und obwohl ich nicht so groß bin, mag ich den Raum, den man hat, die physikalische Freiheit. Es braucht ein wenig mehr Energie zum Spielen, es fühlt sich mehr wie Sport an, man kann mehr schwingen und man kann größere Striche machen, das gefällt mir sehr.

Ehrlich gesagt, war es mit 14, 16 Jahren mein Ziel, ein virtuoser Streicher zu werden, und das schien mir nicht möglich mit der Bratsche. Deshalb konzentrierte ich mich zunächst mehr auf die Geige. Aber dann, so mit 18, 19 Jahren, habe ich neue Musik gehört, von Komponisten aus dem 20. Jahrhundert, und langsam habe ich verstanden, dass eigentlich die Bratsche alles machen kann, was die Geige machen kann. Und ich habe mich auch in die Harmonik verliebt. Für mich ist das meine größte musikalische Leidenschaft, denn die Bratschenstimme ist in der Kammermusik immer in der Mitte der Harmonie.

Trotzdem mag ich es immer noch, Geige zu spielen, und finde es ein bisschen traurig, dass man fast immer wählen muss, denn man kann beide Instrumente eigentlich parallel spielen, und man kann viel lernen von der Bratsche, wie Geige zu spielen ist, und umgekehrt.

Foto©Ettore Causa

Vom Klang und vom Charakter einer Violine und eines Cellos hat man eine relativ konkrete Vorstellung, die Bratsche steckt nicht so in einem bestimmten „Schubfach“.

Das ist einerseits eine positive Möglichkeit für uns als Bratscher, andererseits eine Schwierigkeit, weil es natürlich weniger Originalliteratur gibt als für Geige oder Cello. Aber man kann viele Stücke für Geige oder Cello auch auf der Bratsche spielen. Zum Beispiel Bach, den ich sehr liebe und von dem es kein Originalstück für Solo-Bratsche gibt – aber die Cellosuiten und die Geigensonaten und -Partiten. Ja, als Bratscher muss man ein wenig kreativer denken, was Repertoire und Sound angeht, denn eine Bratsche kann wie eine Geige klingen, kann manchmal wie ein Cello klingen, und jeder hat einen anderen Geschmack. Ich mag es sehr, in beide Richtungen zu gehen, und suche daher ein Instrument, das beides kann, mit einer tieferen C-Saite und einer sehr brillanten und hellen A-Saite, weil ich es schade finde, wenn eine Bratsche nur hell oder nur dunkel klingt.

Großbritannien könnte man als Mutterland der modernen Solo-Bratsche bezeichnen, ab 1900 ist mit Lionel Tertis das Instrument populär geworden. Spielt die Bratsche heute dort noch eine besondere Rolle?

Das ist eine sehr interessante Frage. Ich würde sagen – auf jeden Fall fühlt man in Großbritannien sich der Bratschengeschichte sehr nah, es gibt viele Stücke von britischen Komponisten für Bratsche, die hier in Mitteleuropa nicht so oft aufgeführt werden. Aber ansonsten sehe ich heute international keine großen Unterschiede mehr für Bratschisten. Interessant ist aber der Lehrstil für Bratsche: Es gibt von der technischer Seite her eine starke deutsche Schule, eine russische Schule und eine amerikanische Schule, in Großbritannien findet man eine Mischung von allem.

Toby Cook, Sie unterrichten auch gern, weshalb macht Ihnen das Spaß?

Ja, das ist auf jeden Fall auch eine große Leidenschaft von mir. Schon mit 14 Jahren habe ich einen ersten Studenten gehabt, nur ein paar Jahre jünger als ich….
Meine Eltern sind beide Lehrer, mein Vater lehrt an der Universität Linguistik, und meine Mutter ist eine Übersetzerin und hat auch an einer Universität unterrichtet. Und das weiterzugeben, was man sich angeeignet hat, ist eine sehr schöne Sache. Aber ich lerne auch viel über mich selbst, wenn ich unterrichte, und verstehe besser, was ich selbst als Künstler suche. Und wenn ich meinen Studenten helfe, einige Schwierigkeiten zu überwinden, dann unterstützt mich das auch in meinen methodischen Überlegungen. Auch in Zukunft möchte ich sehr gern Unterricht geben, und dazu ein Festival für junge Künstler ins Leben rufen.

Ich selbst war in einer sehr akademischen Schule und habe viel darüber nachgedacht, welcher der beste Lehrstil ist. Immerhin lernt man fast sein ganzes Leben lang hinzu, ich glaube, darüber kann man auch philosophisch nachdenken, und ich habe einige Theorien dazu.

Sie bieten Bratschen-Unterricht an in Englisch, Deutsch, Französisch und Russisch – sind Sie ein Sprachgenie?

Leider nicht (lacht). Zum Glück habe ich Russisch schon in meiner Kindheit gesprochen, weil ein Teil meiner Familie russische Wurzeln hat, und Französisch habe ich in der Schule gelernt, und jetzt wohne ich seit 2019 in Deutschland – also ich hatte zum Glück viele Chancen, diese Sprachen zu lernen. Zudem arbeiten meine beiden Eltern beruflich mit Sprache, und das hat mir auf jeden Fall geholfen.

Nach Ihrem Abschluss in Berlin bei Tabea Zimmermann gehen Sie nun nach Zürich, zu Laurence Power, einem Bratscher der jüngeren Generation mit sehr innovativen Ansätzen zur Konzertgestaltung und einem Faible für zeitgenössische Musik. Sie selbst spielen auch gern neue Musik. Was ist denn der Vorteil, wenn man mit den Komponisten sprechen kann?

Gute Frage. Es überrascht mich immer, wenn wir ältere Musik spielen, zum Beispiel Schubert, da hat fast jeder Musiker eine feste Vorstellung, wie man es spielen soll. Ich glaube, es ist immer gut zu wissen, so weit es möglich ist, was ein Komponist sich wirklich vorgestellt hat. Wenn ich mit Komponisten gearbeitet habe, sind sie oft sehr offen und flexibel und möchten auch wissen, was wir uns als Instrumentalisten vorstellen, manchmal auch, wie man bestimmte Klangvorstellungen umsetzen kann. Das ist ein so toller Prozess!

Schauspieler, Musiker, Tänzer etc. kreieren ja etwas, was als Basis schon existiert, wir wiederholen das sozusagen. Wenn ich einen Komponisten treffen kann, dann sprechen wir nicht nur über die Komposition, sondern auch über uns selbst, unsere Vorstellung von Musik und Philosophie, und so verstehe ich besser, wie ein Stück zu interpretieren ist, eine inspirierende Möglichkeit.

Wenn Sie die Chance hätten, einen Komponisten der Vergangenheit zu treffen, mit wem würden Sie sich gern unterhalten?

Wahrscheinlich Mahler oder Ravel, weil ich mich am meisten „verliere“ in der Musik der beiden Komponisten. Im vergangenen Monat habe ich Ravels Streichquartett gespielt, und ich habe meine eigene Vorstellung für die sehr bekannte Bratschenmelodie im 3. Satz, aber ich wüsste natürlich gern, was Ravel sich vorgestellt hat, weil die Melodie relativ einfach ist, nicht so wild oder kompliziert in harmonischer Hinsicht, aber sie ist für mich eine der stärksten und tiefsten musikalische Sachen, die ich in meinem Leben gehört habe. Also, es wäre toll, Ravel als Mensch kennenzulernen……

Bleibt denn neben Studium und Unterrichten noch Zeit für Hobbies?

Leider nicht viel. In meiner Freizeit muss ich viele organisatorische Sachen erledigen und außerdem liebe ich es, viel Zeit mit meinen Freunden zu verbringen. Wenn ich sie treffe, machen wir vielleicht ein bisschen Sport, oder wir wandern, gehen manchmal ins Kino. Aber vor allem sind die Gespräche im Freundeskreis sehr wichtig für mich, sehr erfrischend. Ja, und in den letzten Jahren ist auch Sport für mich sehr wichtig geworden. Ich würde nicht sagen, dass es ein Hobby ist, ins Gym zu gehen, aber ich brauche das, um mich körperlich fit zu halten. Und wenn es warm ist, schwimme ich auch sehr gerne, besonders gern in Seen, hier in Berlin oder in der Schweiz, und lange Strecken, soweit wie möglich, das habe ich schon als Kind mit meiner Mutter gemacht.

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Interview©Cornelia Schönberg/Freunde Junger Musiker Berlin