Juliet Wolff – „ a Vocalizing Cellist“

Die erfolgreiche junge Cellistin liebt nicht nur gesangliche, ausdrucksstarke Stücke, sondern hat auch das Nebenfach Gesang belegt.

Unsere Stipendiatinnen Juliet Wolff (Cello) und Johanna Cornelia Müller (Violine) wirken Ende August beim diesjährigen Bebersee-Festival mit.

Foto@Jürgen Bauer

Juliet begann ihr Bachelor Studium an der Juilliard School in New York und absolviert dieses momentan mit Prof. Claudio Bohórquez an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Sie erhielt ihren ersten Cellounterricht im Alter von 5 Jahren am Feuermann Konservatorium der Kronberg Academy und wurde mit 11 Jahren am Landesgymnasium für Musik “Carl Maria von Weber” in Dresden angenommen. 2012 zog Juliet mit ihrer Familie nach London, studierte dort zunächst an der Junior Guildhall School for Music and Drama und wurde 2015 für die renommierte Yehudi Menuhin School ausgewählt.

Juliet Wolff, nach langen Jahren in England studieren Sie nun seit 2019 hier in Berlin. In welcher Sprache denken und fühlen Sie eigentlich?

Im Prinzip kann ich beide Sprachen perfekt, aber derzeit ist das oft ein Mischmasch, das hat sich jetzt langsam ins „Denglish“ entwickelt (lacht).
Vor allem fällt es mir im Deutschen schwer, wenn ich wichtige Dinge formulieren will. Ich war 13 Jahre alt, als wir nach London gezogen sind. Dort habe ich gelernt, wie ich mich intelligent ausdrücke, wie ich über Musik spreche, und habe auch mein Abitur auf Englisch gemacht. Vor allem: das was man an Erinnerungen in Englisch erlebt hat, das ist nur schwer in Deutsch wiederzugeben.

Ihre musikalische Ausbildung erhielten Sie in London, New York und hier in Deutschland. Haben Sie da unterschiedliche Erfahrungen gemacht?

Absolut. Also ich fand das sehr interessant, dass wir in England – das lag auch an der Menuhin School generell – sehr kollegial untereinander waren. Wir hatten jede Woche ein Vorspiel und gaben uns untereinander Tipps und lernten, konstruktive Kritik zu üben. Also die Klassengemeinschaft, der Zusammenhalt, war sehr schön.
Vorher, in Deutschland, empfand ich es so, dass eher jeder auf sich fokussiert war.
Nach Amerika bin ich gegangen, weil ich noch einmal einen dritten Blickwinkel haben, ganz anderes erfahren wollte. Das habe ich auch. Ich bin schon sehr europäisch geprägt, das war mir vorher gar nicht so aufgefallen. Zum Beispiel interpretierte ich Bach anders als es zum Teil in New York üblich war.

Man kann Ihr Spiel in Videos auf Ihrer Website und bei YouTube kennenlernen, und es scheint, dass Sie ein relativ großes Cello spielen.

Also mir kommt mein Cello nicht groß vor. Ich finde, der Hals meines Cellos ist sehr viel dünner als der von anderen Celli, und die Fingerabstände sind eher klein. Aber dadurch, dass die Form nach unten breiter wird, erscheint es vielleicht groß.
Das Cello ist 103 Jahre alt, ich spiele es seit über zehn Jahren. Meine Familie hat es mir zu einem durchaus üblichen Preis gekauft, als ich nach Dresden ans Musikgymnasium gegangen bin. Es war mein erstes volles Cello – und ein absoluter Glücksgriff! Heute werde ich oft gefragt, was ich für ein Instrument spiele, es klinge ja so schön… Auf diesem Instrument habe ich gelernt, wie man richtig Cello spielt, da ist eine intensive persönliche Beziehung entstanden, und ich werde es nie aufgeben. Aber natürlich finde ich es spannend, auch einmal andere Instrumente auszuprobieren.

Bei Proben sieht man Sie schon einmal in Strümpfen, ohne Schuhe, spielen, brauchen Sie eine Art Erdung?

Interessant, dass Sie das fragen. Tatsächlich habe ich mich mit dem Thema intensiv beschäftigt. Ich sehe natürlich auch gern schön aus, wenn ich auf der Bühne bin. Und ein langes Konzertkleid sieht einfach hübscher aus, wenn man hohe Absatzschuhe trägt. Aber ich habe gemerkt, dass es beim Spielen einen Unterschied macht. Ich brauche nämlich dieses grundierte Gefühl. Wenn ich übe, übe ich immer barfuss. Selbst ein kleiner Schuh-Absatz erzeugt eine gewisse Spannung in den Oberschenkeln, und dann muss ich meinen Sitz entsprechend kontrollieren. In der Menuhin School haben wir uns auch mit der Alexander-Technik vertraut gemacht und gelernt, wie wichtig es ist, beim Spielen keine unnötige Spannung im Körper zu haben, denn das wirkt sich sofort auf den Klang aus. Ich bin also immer auf der Suche nach hübschen flachen Schuhen……

Foto@Stewart Williams

Juliet Wolff, bei YouTube präsentieren Sie sich vor allem mit gesanglichen langsamen Sätzen – Zufall oder Vorliebe?

Ich glaube schon letzteres. Ich sang immer schon gern, schon als Kind. In England habe ich in vier verschiedenen Chören mitgewirkt, darunter im Crypt Choir der Canterbury Cathedral, jede Woche im evensong. Das Gesangliche im Cellospiel ist mir also schon sehr wichtig. Da bin ich emotional auch intensiv involviert. Lediglich schnell und virtuos spielen habe ich noch nie gemocht. Am Anfang habe ich mich davor auch immer gedrückt (lacht), aber inzwischen beim Bachelorstudium freundete ich mich auch mit dem „Elfentanz“ und ähnlichen Stücken an. Und jetzt macht es mir auch Spaß, und ich kann es gut. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich immer gesangliche Stücke wählen. Zum Beispiel Faurés „Elegie“ war schon seit Kindheitstagen eines meiner Lieblingsstücke.

Die englische, jetzt in den Vereinigten Staaten lebende Komponistin Katie Jenkins hat für Sie einen „Monologue for Solo Vocalizing Cellist“ geschrieben, in dem Sie gleichzeitig singen und spielen. Kommt man da nicht mit dem unterschiedlichen Atemrhythmus in Schwierigkeiten?

Dieses Stück war wirklich eine extrem große Herausforderung. Ich fand die Kombination von Cello- und Gesangstimme schon immer sehr interessant, und natürlich kannte ich das entsprechende Stück von Pēteris Vasks („Grāmata čellam/„Das Buch“), habe auch den Komponisten kennenlernen dürfen.
Und da Katie mir schon immer ein Stück schreiben wollte, habe ich gesagt, hey, ich singe ja auch gerne, mach doch ähnliches. Nun laufen bei Vasks die Cello- und die Singstimme parallel. Was Katie für mich komponierte, hat eine andere Dimension. Singen kann man ja sehr gut im Stehen, beim Cellospiel im Sitzen drückt das Instrument gegen den Körper, deshalb ist die Kontrolle der Stimme schwieriger. Außerdem habe ich meine eigene Singstimme so laut im Kopf gehört, dass es schwierig war, die Cellostimme exakt wahrzunehmen und sauber zu intonieren. Also da die Balance zu finden, war nicht einfach.

Ihre Interpretation von „Monologue“ kann man sich auf Ihrer Website anschauen.

Das Video dazu hat auch nochmal eine Geschichte, denn es entstand während der Corona-Zeit. Eigentlich hatten wir gehofft, dass wir das Stück in New York oder Berlin öffentlich uraufführen können, das ging dann natürlich leider nicht. Aber da wir beide da soviel Arbeit hineingesteckt hatte, wollte ich es schon irgendwie „mit der Welt teilen“. Und da in London das „Green Screen-Studio“ meiner Eltern während der Pandemie leer stand, habe ich das Video zum Familienprojekt erklärt und mir überlegt, wie man das visualisieren kann, was dann mein Bruder Jasper, meine Eltern und Lorenzo Nera digital umgesetzt haben. Dabei war mir wichtig, dass das Live-Spielen, die Musik, immer im Vordergrund steht. Eine Konversation mit sich selbst, die im Kopf stattfindet.

Die Pandemie hat für junge Musikerinnen und Musiker die berufliche Entwicklung erst einmal weitgehend unterbrochen.

Ja, man kann nun wieder anfangen, Wettbewerbe zu spielen. Das mache ich jetzt und es läuft auch sehr gut. Der Druck ist schon da, Karriere zu machen. Ich glaube, Wettbewerbserfolge sind wichtig, aber ich versuche, dass entspannt anzugehen. Heute ist auch die Onlinepräsenz wichtig, und ich habe meine öffentlichen social-media-Accounts bewusst professionell gehalten und poste da keine privaten Ferienbilder. Es freut mich, dass ich inzwischen eine ganze Menge Follower habe und im Austausch mit vielen Musikinteressierten bin.
Natürlich üben wir so viel, weil wir die Musik mit den Menschen teilen wollen. Und es wäre einfach ein Traum, auch viele Konzerte spielen zu können.

https://www.julietwolff.com/

Interview@Cornelia Schönberg/Freunde Junger Musiker Berlin