Von Minnesängern, alten Noten und neuer Pracht

Jedes Jahr fördern wir nicht nur junge Interpreten, sondern auch in Form einer Buchpatenschaft ein wertvolles Musikmanuskript. Denn auch in Zukunft sollen sich die angehenden Profimusiker an den Originalquellen orientieren können.

Mit der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz haben wir eine der weltweit bedeutendsten Musiksammlungen vor unserer Haustür, die gepflegt und bewahrt werden will. 2019 übernahmen wir die Patenschaft über einen dicken Band aus dem Jahr 1656, der prachtvoll in ornamental geprägtes Leder eingebunden ist.

Foto©Staatsbibliothek zu Berlin-Preußischer Kulturbesitz

Er stammt aus dem Besitz des vermögenden, einflussreichen Tiroler Adelsgeschlechts Wolkenstein-Rodenegg. Deren wehrhafte Burg hoch oben auf einer Felsnase rund 15 km nördlich von Brixen wurde in der Spätrenaissance prachtvoll ausgebaut, mit Festsaal und Bibliothek. Dort muss offensichtlich auch viel musiziert worden sein, denn in dem Band sind Lieder und Instrumentalstücke von zahlreichen Komponisten gesammelt. Geschrieben für die Laute, die damals als Instrument jene herausragende Rolle spielte, die heute das Klavier inne hat. Notiert ist das in Tabulaturschrift, einer symbolischen Zeichenschrift, die die jeweiligen Griffe auf dem Griffbrett anzeigt.

Foto©Staatsbibliothek zu Berlin-Preußischer Kulturbesitz

Dr. Roland Schmidt-Hensel, Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin:

Es handelt sich um ein Tabulaturbuch…, das Tänze, Lieder und sonstige Instrumentalstücke teils in italienischer, teils in französischer Lautentabulatur enthält. Der Possessorvermerk: „Ex lib: Christ: Francisci Co: à Wolckenstein et Rodnegg In Colleggio | Parmensi A: 1.6.5.6.“ auf der ersten Seite könnte sich sowohl auf den 1679 gestorbenen Christoph Franz [I] von Wolkenstein-Rodenegg als auch seinen gleichnamigen Sohn Christoph Franz [II] (1636-1707) beziehen – die im Übrigen Nachfahren des spätmittelalterlichen Komponisten und Dichters Oswald von Wolkenstein (1377–1445) waren.

Wie eine Datierung aus dem Jahr 1674 gegen Ende des Bandes zeigt, wurden die einzelnen Stücke über einen Zeitraum von fast 20 Jahren hinweg von verschiedenen Schreibern eingetragen. Sie sind nur teilweise mit Komponistennamen bezeichnet; dabei taucht u.a. auch die Angabe „Rodenegg“ (in unterschiedlichen Schreibweisen) und „par mois“ auf, was zeigt, dass der Besitzer des Bandes auch eigene Kompositionen eingetragen hat.

Nun wird dieser dicke Sammelband restauriert und gereinigt und kehrt dann wohlbehalten in das Archiv der Musikabteilung zurück.

Das sehenswerte Schloss Rodenegg ist heute noch im Privatbesitz der Familie von Wolkenstein, man kann es von Mai bis Oktober besichtigen.

www.Schloss Rodenegg

Die Lieder des legendären Vorfahren Oswald von Wolkenstein, der als einer der letzten Minnesänger gilt und ein filmreifes, abenteuerliches Leben geführt hat, sind zum großen Teil überliefert. Einige davon hat unter anderem Countertenor Andreas Scholl aufgenommen.

Cornelia Schönberg©Freunde Junger Musiker e.V. Berlin